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Das alte europäische Viertel: Unterwegs in Bangkok

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Bangkok, das alte europäische Viertel. In „Bangkok-Unterwegs“ beschreiben die Autoren Sparziergänge durch besondere Orte. Sie möchten die Besucher einladen, die Inspiration aufzunehmen und selbst auf Entdeckungsreise zu gehen.

Einen Überblick über das „touristische Bangkok“ enthält der Artikel: Bangkok, die Stadt der tausend Gesichter

Das alte europäische Viertel mitsamt der Chaoren Krung und etwas Kunst; wir begeben uns auf historischen Boden. Ausgangspunkt ist die BTS Saphan Taxin. Innerlich kämpfe ich jedes Mal mit der Entscheidung, wann loslaufen, tagsüber oder erst nachts.

Jede Zeit hat ihren besonderen Reiz, so wechsle ich ab und würde dies jedem empfehlen. Als Kompromiss schlage ich vor, am späten Nachmittag in die eine Richtung und nach Sonnenuntergang wieder zurück.

Chaoren Krung, die älteste Strasse Bangkoks

Nach wenigen Metern kommt die Charoen Krung entgegen, die älteste Straße Bangkoks. König Mongkut ließ sie 1861 bauen, als die Pferde der europäischen Diplomaten einen längeren Auslauf verlangten.

Beim Großen Palast galoppierten sie los, und könnten heute acht Kilometer parallel zum Chao Phraya traben und nach der von Abgasen geschwängerten Luft schnappen. Diese Strasse beherbergte auch die ersten Europäer in Bangkok.

Prachak, der beste roasted Duck in der Gegend

Wer sich noch vorab etwa stärken möchte, kann dies im einfachen chinesischen Restaurant mit dem Name „Prachak“ schnell erledigen; schräg gegenüber des Robinsons auf der gegenüber liegenden Straßenseite etwa weiter hoch laufen.

Hier gibt den besten roasted duck in der Gegend. Einfache Stahltische und Stühle; die Portionen groß und preiswert. Aber nur wenig essen, für das  das eigentliche Abendessen kehren wir woanders ein.

Sarnies, das hype Café aus Singapur

Und wer jetzt partout keinen Appetit auf Ente hat, begibt sich quer gegenüber in die Soi 44; dort wartet am Ende der kleinen Strasse eine Überraschung.

Fast hätte ich den unsäglichen Ausdruck „Geheimtipp“ verwendet. Aber für die meisten dürfte es noch geheim sein. Wer bereits nachweislich im Jahr 2019 oder 2020 dort war, hat in Bangkok drei Drinks bei mir frei.

Ein Ableger des bekannten hypen Cafés SARNIES aus Singapur zog in ein 150 Jahre altes Shop-House ein, eine früheren Boots-Werkstatt; mehr verrate ich nicht. Obwohl eigentlich als Café ausgewiesen, serviert das Lokal ausgefallene kleine Speisen.

Es lohnt durchaus sich diese „ursprünglich“ pittoreske Soi näher anzusehen. Oft sind es die kleinen Dinge, welche das Besondere dieser Stadt ausmachen; von den touristischen Hotspot-Jägern nicht selten übersehen.

Verblichene Vergangenheit

Wenn wir entlang der Chaoren Krung an der Silom vorbei schlendern, wird es historisch. Die Reste des alte europäischen Viertels grüßen die Wanderer.

Hier hausten die ersten Europäer zu einer Zeit, als der Dschungel noch die Sukhumvit überwucherte. Epiphytische Banyan Bäume drängen durch Fenster und Dächer der verfallenden Gebäude, zeigen Lebenskraft.

Die geschundenen Fassaden zeugen von der noblen kaufmännischen Herkunft ihrer Erbauer. Wie sahen die früheren Europäer aus, wie lebten sie in ihren nicht klimatisierten Häusern?

Nur leise, fast schüchtern, flüstern die modernden Steine ihre Geschichten aus einer vergessenen Zeit. Als Teil des ewigen Entstehens und Vergehens leben sie weiter. Sie entgingen dem Schicksal ihrer europäischen Verwandten in Rom, Paris und dem mittelalterlichen Prag. Dort wurden sie zur Vergangenheit verdammt, zum Museum konserviert, des eigenen Lebenshauchs beraubt.

Chaoen Krung Alley 36

An der Chaoen Krung Alley 36 biegen wir nach links ab in Richtung der französischen Botschaft. Es lohnt durchaus unterwegs auch in die Höfe und Nischen einen Blick zu werfen; manch altes Holzhaus kommt zum Vorschein.

Das Swan Hotel, ein Überbleibsel der Vietnam-Ära

Auf der linken Seite passieren wir das Swan Hotel, ein historisches Hotel aus der „Vietnam-Ära“ Bangkoks; dort nächtigten die Offiziere.

Als ich hier Ende der 80er auch übernachtete und den Pool genoss, wohnten hier viele Journalisten. Es war neben dem Oriental das einzige Hotel unweit des Flusses und der Piers in dieser Gegend. Es gibt noch einige Nostalgiker, die immer wieder kommen.

Ein Palazzo oder auch nicht

Neben der französischen Botschaft löst der Lauf der Zeit eine neoklassizistische Fassade auf. Auf der Tafel mit der Erklärung stehen die Worte „Old Custom House“….

…Ich bezweifle das, bin aber mit meinen Recherchen noch nicht weiter. Ich meine, und bin nicht allein, dass es sich hier um ein altes Palazzo handelt.

Als die Lünette oben an der Fassade noch nicht leer war, beherbergte sie ein weibliches Gesicht, vermutlich die Geliebte des Hausherrn, die er in der fernen Heimat zurückließ und nach der sein Herz fieberte. Bisher fand ich lediglich heraus, dass ein Ingenieur aus Genua dieses Gebäude im Jahr 1892 errichtete.

Das Innere des siechenden „Palazzos“ eroberte die Natur zurück, die einst dieser Bau verdrängte. Gräser bewuchern die Fenstersimse, Wurzeln von Bäumen suchen im Dachstuhl nach Nahrung.

The old Custom House, wer kennt es nicht

Gleich neben dem Palazzo strebt das frühere Custom House dem Nirvana entgegen. Hier muss derselbe Architekt zu Werke gewesen sein. Dieser Bau spielte im Film Killing Fields das berüchtigte Foltergefängnis S-21 in Phom Phen.

Auch innovative Mode-Fotografen mögen die alte Zollstation. Aus den Fenstern lehnten früher T-Shirts, Arbeitshosen, Jacken und Gummistiefel.

Lange Zeit trotzte die Feuerwehr von Bang Rak allen Versuchen, den natürlichen Verfall ihres Domizils durch dessen Inkarnation in ein 5-Sterne Hotel zu unterbrechen; jetzt soll es so weit sein; also noch schnell die alten Steine bewundern.

Das alte muslimische Viertel um die Haroon Moschee

Auf dem Rückweg  biegen wie auf der Höhe des Swan Hotels in einen engen Durchgang, der uns in das alte muslimische Viertel um die Haroon Moschee führt.

Bei der Moschee selbst soll es sich um die älteste Moschee in  Bangkok handeln.

Der Name stammt von einem arabisch-indonesischen Händler, der sich hier Ende des 19. Jh. niederließ. Interessanter als die inzwischen mehrfach renovierte Moschee ist das Viertel, das sich unter den strengen Augen des riesigen CAT-Towers ehrfürchtig duckt. Türkisfarbene Holzhütten, die Türen geschnitzt und rot bemalt; enge, verwinkelte Gassen; Vorgärten voll mit Frucht-Bäumen.

Der Friedhof mit den geschmiedeten Bänken und schattigen Bäumen ist außer Dienst, verwahrlost; ein Memento mori der Vergänglichkeit. Hier zittern die  Gebeine von muslimischen Soldaten aus dem Korea-und Vietnamkrieg vor Yaum al Qiyama, dem Tag des Jüngsten Gerichts, an dem sie ihr Leben und ihre Taten erklären müssen.

Zwischen den einfachen Holzhäusern und alten Prachtbauten muslimischer Händler locken Stände mit Chicken Mataba und Beef Biryani. An dieser kleinen muslimischen Enklave knabbert bereits der gefräßige Stadt-Dschungel. Wann werden progressive Developer die Menschen hier an den Stadtrand verdrängen und eine muslimische Shopping-Mall im Stil von 1000 und einer Nacht designen?

Das frühere Hauptpostamt

Wir verlassen diesen unwirklichen Ort über die Alley 34; auch hier gibt es allenthalben etwa zu entdecken. Das Restaurant Harmonique am Ende der Soi streifen wir nur mit einem kurzen Blick; hierzu später mehr. Wandern weiter am alten Hauptpostamt vorbei.

Hier warteten in der steinzeitlichen Vorhandy-Ära die Farangs bis sie eine freie Telefonzelle rief; sprachen miteinander, tauschten Infos aus, ein altmodisches soziales Netzwerk. Das Gebäude wurde 1940 unter dem militärischen Diktator Plaek Pibunsongkhram im imperial-nationalistischen Stil erbaut, die Lieblingsarchitektur der Diktatoren.

Chaoen Krung Alley 32, die Graffiti Soi

Nicht jeden interessieren die modernden Fassaden, verstehe ich. So wenden wir uns der Kunst zu, konkret der Streetart in Form von Graffitis, die in dieser Gegend gedeiht. Und lernen dabei in den kleinen Seitenstraßen auch einige der tausend Gesichter der Stadt kennen.

So gehen wir die Chaoren Krung aufwärts und biegen nach wenigen Schritten in die Alley 32 ab; das ist die Graffiti-Straße par excellence in dieser Gegend. Einige der bekanntesten Graffiti-Künstler verewigten sich in dieser engen Sackgasse; ich finde diesen Ort am wirkungsvollsten in der Nacht; nach Sonnenuntergang.

Soi 30 und 28, noch etwas Kunst

Und weiter geht’s… ab in die Soi 30 und kurz vor dem Orchid Sheraton auf der linken Seite die Wände beobachten…am Sheraton vorbei und gerade aus…aber Achtung, auf keinen Fall bis zum River City laufen, denn dort fängt die Chinatown an.

Und mit den „Schlitzaugen“wollen wir Europäer zumindest heute nichts zu tun haben, bleiben in unserem Viertel. Jetzt hilft vielleicht Google Map, unser Ziel ist die Soi 28 (in Si Phraya Rd. abbiegen und gleich wieder links).

Wenn der Magen knurrt

Schnell noch etwas Kunst gucken und natürlich auch diese Straße, aber es knurrt bereits der Magen. Außerdem ist es bereits Abend, und manche Ecken mit den spärlichen Lichtern wirken durchaus unheimlich.

Es ist auch die Zeit des blutrünstigen Nachtgeistes Krasue, der an solchen Orten sein Unwesen treibt, schlägt mit Vorliebe bei den Ängstlichen zu; erspürt deren Furcht wie ein Taxifahrer-Hallodri den unerfahrenen Touristen.

Also wer nachts unterwegs ist, eine Zeit, in der Bangkok am schönsten daher kommt, sollte mutig und selbstsicher auch die schummrigsten Gegenden durchschreiten.

 

Harmonique, das Restaurant mit kolonialem Flair

Unser Ziel steht fest, Chaoren Krung Alley 34, das Restaurant Harmonique; da liefen wie bereits vorbei. Nicht wundern, jetzt in der Nacht blinzeln einige der alten verlassenen Gebäude geheimnisvoll aus düsteren Augen… Schatten huschen über die dunklen Fassaden; am hinweg fielen diese Gebäude gar nicht auf, erst jetzt kam ihre Zeit.

Harmonique bewohnt ein altes chinesisches Shop-House. Bric-à-Brac Antiquitäten schmücken den Eingang. An den Wänden schlängeln Pflanzen. Orientalische Artefakte blinzeln aus jeder Ecke. So müssen die europäisierten Restaurants der damaligen Fremden ausgesehen haben. Ich verspeise hier immer das Krabben-Curry…

Himali Cha Cha, das älteste indische Restaurant in Bangkok

Und wenn der Kalender gerade Sonntag oder Donnerstag anzeigt, was für ein Pech; closed. Dann eben Plan B folgen, wenn wir schon in dieser Gegend speisen möchten.

Auf der Chaoren Krung bis auf die Höhe der Soi 32; schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite in die Soi 47/1 einbiegen. Das Schild am Eingang weist bereits den weg „Himali Cha Cha“, eines der ältesten indischen Restaurants in Bangkok.

Das Restaurant besteht an diesem Ort seit 1978, der frühere Eigentümer Cha Cha begann seine kochende Karriere in den 40ern in Indien bei Lord Mountbatten. Später kochte er für Diplomaten in SOA, bis er sich in Bangkok niederließ. Das Interieur hat sich seit dieser Zeit kaum verändert.

In der unmittelbaren Umgebung des Restaurants befinden sich die Reste eines indischen Viertels, welches der nahe Expressway „zerstörte“. Manch eine Frau in Not sucht in den düsteren Gassen nach Hilfe in verstecktem indischen Abtreibungskliniken; in Thailand ist die Schwangerschafts-Unterbrechung generell verboten.

Jack’s Bar wartet

Und der spätere Abend? In den Gassen um das Shangri-La Hotel wird es wieder „freundlicher“ und lebendiger. Unterwegs in die Chaoen Krung Alley 42/1 einbiegen und bis zum Fluss laufen, hier wartet unmittelbar am Ufer die offene hölzerne Jack’s Bar. Vielleicht hat jemand etwas Glück und findet einen Platz, mir ist es erst zu Covid-Zeiten gelungen.

2 Kommentare

  1. Das hört sich alles sehr gut an. Vielleicht schaffe ich es wenn ich Mitte März in Bangkok bin.
    Danke auf jeden Fall für den sehr ausführlichen Bericht

  2. Ein sehr interessanter und informativer Artikel. Sehr anschaulich und lesenswert geschrieben.
    Hält meine Sehnsucht nach dem wunderbaren Bangkok und meine Freunde dort wach.
    Herzliche Grüße

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