Wie so viele Orte in Asien besitzt auch Bangkok eine Chinatown, die auf dem Besuchszettel fast aller Touristen steht. Hinzu kommen noch chinesische Tempel, chinesische Buddha-Figuren, chinesische Oper, Geschäfte mit chinesischen Schriftzeichen und neuerdings auch zahlreiche chinesische Touristen. Vielen Besuchern ist nicht bewusst, das Bangkok eigentlich eine chinesische Stadt ist, was nicht nur Auswirkungen auf das soziale Leben, sondern auch auf die Kultur, das Wirtschaftsleben und die Politik hat.
Ein historisches Intermezzo
Chinesen siedelten hier bereits, als Rama I den Goldenen Palast zu bauen begann. Dort, wo der Palast entstand, befand sich das kleine chinesische Olivendort Ban Kok. Die Bewohner mussten in das Gebiet der heutigen Chinatown weichen. Auch später hielt der Zufluss von chinesischen Immigranten an, insbesondere zwischen 1880 und 1920. Vor 100 Jahren waren fast zwei Drittel aller Einwohner in Bangkok Chinesen. Auch heute noch fließt bei mindestens 40 Prozent der Bewohner chinesisches Blut in den Adern. Und das sogar im thailändischen Königshaus. Rama I, der Begründer der heutigen Chakri Dynastie, hatte einige Tropfen von seiner Mutter geerbt. Sein Vorgänger Taksin war der Sohn eines chinesischen Immigranten.
Als noch die spätere Sukhumvit unter wilder Vegetation schlummerte und der chinesische Immigrant Patpongpanit, der spätere Developer der Patpong, noch nicht geboren war, beherrschten die Chinesen bereits das Monopol der Genüsse. Durch den berühmte Sampeng Lane verlief in früheren Zeiten die Hauptverkehrsader der Chinatown. Hier reihte sich ein Bordell an das andere, neben Spielhallen und Opiumhöhlen. Die thailändischen Könige übernahmen das feudale chinesische System der Zweitfrauen und Konkubinen, das in den Mia Nois von reichen Thais bis heute fortlebt.
Aber was viel wichtiger ist, den größten Teil der thailändischen Großindustrie und der Finanzwelt beherrschen chinesische Familienklans. Die ethnischen Thais, das waren immer schon Bauern, Generäle und Regierungsbeamte.
Um die Sache noch komplizierter zu machen, wenn jemand von Chinesen spricht, ist es so, als ob er von Europäern spräche. Es ist schon ein Unterschied, ob es Hokkien, Tae Liu oder Cantonese Chinesen sind. Und diese Gruppen teilen sich noch nach den jeweiligen Provinzen auf, bilden eigene Communities, eigene Wirtschaftsvereinigungen, besuchen eigene Tempel. Dieser starke chinesischer Einfluss auf Bangkok ist in allen Stadtteilen an Ladenaufschriften sichtbar; in Thai und Chinesisch.
Würde man in Bangkok alle chinesischen Tempel erfassen, wäre ihre Zahl kaum geringer als die der rein thai-buddhistischen. Aber auch viele dieser Tempel haben Chinesen gebaut oder finanziert. Dadurch haben sie das Wohlwollen der früheren thailändischen Königshäuser erkauft und damit Macht und Einfluss. Die Thai-Chinesen nahmen zwar thailändische Namen an, bewahrten sich jedoch auch über die Jahrhunderte bis heute ihre kulturelle Identität und damit auch den Einfluss und Macht.
Der politische Kampf, welcher der jetzigen Militärjunta vorausging, kann auch unter diesem Hintergrund gesehen werden. Mit dem chinesischen Thaksin-Klan sind weitere chinesische Wirtschaftsklans verbunden. Der Führer der damaligen Opposition, Suthep, vertritt einflussreiche thailändische Wirtschaftsklans aus dem Süden und hat als früherer Minister großen Einfluss auf hohe Regierungsbeamte und das Militär, die allesamt der ethnischen Elite der Thais angehören.
Die Chinesische Oper
In einigen Seitenstraßen der Chinatown abends auf einer offenen Bühne anzutreffen, aber auch auf der Thonburi Seite in der Nähe des Wats Kalaya. Hier befand sich sich zur Thonburizeit das chinesische Viertel. In den umliegenden Strassen ist der frühere chinesische Einfluss immer noch lebendig. Gespielt werden alte Sagen und Geschichten, die davon erzählen, dass sich alle Dinge ständig verändern. Ein Tier kann zum Menschen werden, ein Stein zur Pflanze, eine Pflanze zum Tier, ein Mensch zum unsterblichen Geist oder Gott, genauso wie eine Schlange zu einer Frau.
In der chinesischen Oper ist jeder Charakter genau festgelegt. Ein Schauspieler wird nur für die Rolle eines einzigen Charakters ausgebildet. So kann ein junger Schauspieler während seines gesamten Bühnenlebens den Charakter eines alten Mannes spielen. Manchmal werden weibliche Charaktere von männlichen Schauspielern dargestellt oder umgekehrt. Das Publikum erkennt den Charakter am Make-up, der Farbe des Kostüms und an seinen besonderen Bewegungen:den leichtsinnigen jungen Mann, den Dummkopf, die verschlagene Frau, den General, ein verwandeltes Tier. So steht etwa schwarz für Wildheit, rot für Mut und Loyalität, der Bösewicht ist weiß…
Die Schauspieler tragen maskenhafte Gesichter, bemühen die starre Gesichtsmuskulatur nur sporadisch. Ihrem Mund entweichen schrille Laute. Manche Akteure bewegen die Beine in Tanzschritten. Fiedel, Banjo, Gong und Schlaginstrumente scheppern, erzeugen eine furiose Geräuschkulisse. Lokale Menschen, gewöhnlich und echt, verfolgen gebannt das Schauspiel. Kinder kichern, rutschen ungeduldig auf den Sitzen.
Aus einer steinernen Fontäne sprenkelt blutrotes Wasser. Schattenspiele auf den Häuserfassaden karikieren das Geschehen auf der Bühne. Auch wenn man die Handlung nicht versteht, verzaubert die Atmosphäre, die Geräusche, das gebannt lauschenden Publikum sofort jeden Zuschauer.
Anmerkung: wann und wo gibt es die Chinese Opera zu bewundern? Eine berechtigte Frage, aber wie so viele unvergessliche Erlebnisse in Bangkok, die sich kaum vorher planen lassen, gehört auch dieses in die Kategorie „Zufall und selbst entdecken“. Es handelt sich um Straßenkunst, auch wenn zum chinesischen Neujahr im Februar und bei dem vegetarischen Festival im Oktober (wechselnden Termine) einige der bekannten „Operas“ in Bangkok auftreten. Wer am Abend durch die Yarowat in der Chinatown spaziert, wird bei einer Vorstellung (aus einer der Sois auf der rechten Seite in Richtung Bahnhof) die unverwechselbaren Klänge vernehmen und den Ort selbst finden. Die Vorstellung beginnt etwa um 18 Uhr und geht meistens bis Mitternacht.