Als digitale Nomadin neu in Bangkok. Neuanfang in einer der faszinierendsten Städte der Welt. Deborah Kern berichtet über die Anfänge.
Mein Trostgedicht von Hermann Hesse:„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,…Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen…“ brauchte ich diesmal nicht. Nach einem Meeting der Investmentabteilung einer noblen Schweitzer Versicherung knallte ich meinem Boss vor versammelter Mannschaft meine Zugangskarte auf den Tisch. Der Neuanfang stand bereits fest. Einer meiner früheren Kunden vermittelte mir einen sechsmonatigen „Freelance Berater Job“ in Bangkok.
„Was willst du als Frau in Bangkok machen?“
Meine männlichen Kollegen bekamen glänzende Augen, als sie von meinem neuen Aufenthaltsort erfuhren. Ich wusste nicht warum. Zuvor war ich noch nicht in Bangkok, kannte in Asien nur Japan und Hongkong. Erst später begann es zu dämmern. Ein älterer Kollege fragte mich, ob ich sicher sei, als digitaler Nomade gerade in einer Stadt arbeiten zu wollen, die so stark Männer geprägt ist. „Was willst du als Frau in Bangkok machen?“ Digital…was? Mir war dieser Ausdruck bisher kaum geläufig, obwohl ich früher schon öfters als Freelancer gearbeitet habe. So gab ich „digital nomad Bangkok“ in Google ein und sofort sprangen mich unzählige Berichte, Blogs, Beschreibungen und Tipps an. In den Foren diskutierten digitale Nomaden über Coworking-Space, Kaffeepreise, in welcher Gegend am besten Wohnen, Ausstattung von Cafés mit Internet, Geschwindigkeit des Internets, Apartmentpreise, Expenses und vieles mehr.
Ich habe schon an vielen Orten gearbeitet mit fester und weniger fester Anstellung, aber über die in den Foren diskutierten Themen habe ich mir nie den Kopf zerbrochen. Dennoch war ich diesmal ein wenig unsicher, vielleicht auch wegen der vielen Foren. Manchmal schaden zu viele Informationen, nehmen einem die naive Leichtigkeit, neuen Sachen unvoreingenommen und offen zu begegnen. So war ich froh, dass mir der Sohn eines anderen Kollegen, der zuvor bereits öfters in Bangkok lebte, einige Tipps gab. Sein Hotel, in dem er immer abstieg, war zugleich auch ein Serviced Apartment. Hier wohnen immer mehrere Ausländer für längere Zeit. Das gab erstmals Sicherheit.
Googel Maps offenbarte, dass in der Näher eine BTS, der Skytrain, verläuft und der Fluss auch nicht weit ist. Das klang gut. Die Nähe der Wohnung zur BTS oder MRT ist der wichtigste Aspekt bei der Wohnungssuche in Bangkok. Erst später lernte ich auch andere Kriterien schätzen, nach welchen die Wohngegend am besten auszuwählen ist. Seit dieser Zeit bin ich ständig am Umziehen. Hierzu in einem weiteren Beitrag mehr. Gleich bei der Ankunft am Flughafen besorgte ich mir eine Truemove-Intersimkarte und kaufte mir hierzu ein monatlich selbst aufladendes Internet-Package für etwa 10 EUR.
Für Touristen gibt es auch kürzere Arrangements. Damit war ich unabhängig, wenn das freie WLAN in meiner Unterkunft ausfallen sollte. Das erwies sich als weise. Einen Hot-Spot für mein Notebook konnte ich dann schnell herstellen und war damit unabhängig. Die Kosten für ein Telefonat in die Schweiz mit meiner TrueMove SIM-Karte lagen bei 3 Baht pro Minute. So günstig waren meine Kommunikationskosten bisher noch in keinem anderen Land. Umso unverständlicher waren mir all die Debatten in den Foren über das Internet in Bangkok. Auch die langen Diskussionen und Tipps über Coworking-Space verstand ich nicht. Warum sollen Menschen, welche die Möglichkeit haben ohne ein festes Büro zu arbeiten, sich freiwillig in solche Einrichtungen begeben und dafür fast ein Drittel der monatlichen Kosten für ihre Unterkunft zusätzlich berappen. Wegen des sozialen Kontakts oder der gegenseitigen Inspiration? Mag sein, dass es digitale Nomaden gibt, die so etwas brauchen. Ich war bisher immer froh darüber, wenn ich eine Möglichkeit hatte, meine Arbeit nicht in einem festen Büro versehen zu müssen.
Serviced Apartment, wohnen wie in einem Hotel
Mein Apartment war zwar nicht groß, etwa 30 qm, aber praktisch: ein großes Bett, eingebaute Schiebeschränke, Schreibtisch, Kühlschrank, Fernseher, Mikrowelle, Bad mit Dusche und leise summende Klimaanlage. Ein kleiner Balkon vermittelte den Blick auf einen Parkplatz, Hochhäuser und sogar teilweise auf den Fluss. Einen täglichen Zimmerservice wie in einem Hotel gab es auch, was natürlich unnötig war. So einigte ich mich mit der Dame an der Rezeption auf eine zweimalige wöchentliche Putzorgie mit Bettwäsche- und Handtuchwechsel. Um meine Kleidung kümmerte sich die hauseigene Wäscherei. Ein 7/11 Laden, 24 Stunden geöffnet, unweit meiner neuen Unterkunft versorgte mich mit dem Nötigsten. Noch nie lebte ich in einer fremden Stadt so bequem, und das zu einem monatlichen Mietpreis von 300 EUR. Mein nur unwesentlich größeres Apartment in New York kostete das Fünffache; einen Zimmerservice gab es dort nicht. Schnell habe ich gemerkt, dass ich ein größeres Apartment nicht benötige. Bangkok ist eine Stadt, in der man in der eigenen Wohnung nur so lange verweilt, wie unbedingt nötig. Das Leben spielt sich draußen ab, auf der Straße, in Shopping-Malls, Restaurants, Bars, und vielen anderen Orten. Auch das war für mich eine neue Erfahrung.
In keiner anderen Stadt war der Anfang so einfach
In den anderen Apartments lebten meistens Männer, ältere Männer, aber auch einige jüngere dieser Gattung. Manche waren freundlich, gaben gerne Tipps, wo es das eine oder andere zu kaufen gibt, meist Nahrung in den verschiedensten Formen. Andere beachteten mich kaum, sprachen nicht, auch nicht untereinander, ginge stumm vorbei. Aber auch die freundlicher gesinnten zeigten an mir kaum Interesse. Jeder lebt hier sein Leben für sich, kümmert sich nicht um das Leben des anderen. Das war ich bisher so nicht gewöhnt. Ich gehöre zu den Frauen, die bereits wegen ihres Äußeren stets das Interesse des männlichen Geschlechts wecken, eher an zu viel als an zu wenig Aufmerksamkeit leiden. Erst viel später kam ich dahinter, erahnte die Gründe. Es sind Gründe, die mit der Lebensweise in dieser Stadt zusammenhängen, aber auch mit dem Denken und Erleben. Dazu mehr in weiteren Beiträgen. Die Folge war jedenfalls, dass ich in dieser Millionenstadt zunächst allein war und dabei auch nicht auf Kollegen aus der Arbeitswelt zurückgreifen konnte. Aber ich fühlte mich niemals einsam. In keiner anderen Stadt war bisher mein Anfang so einfach, dachte ich jedenfalls zu Beginn. Bangkok schien auf den ersten Blick eine ideale Stadt für digitale Nomaden zu sein.
Super geschrieben und sehr interessant.