Baan Silapin, eine Reise in das unbekannte Thonburi. In „Bangkok-Unterwegs“ beschreiben die Autoren Sparziergänge durch besondere Orte. Sie möchten die Besucher einladen, die Inspiration aufzunehmen und selbst auf Entdeckungsreise zu gehen.
Einen Überblick über das „touristische Bangkok“ enthält der Artikel: Bangkok, die Stadt der tausend Gesichter
In den Eingeweiden von Thonburi
Thonburi, das ist die andere Seite des Chaopraya, dort wo Bangkok begann. Nur wenige Besucher verirren sich in diesen Teil der Stadt und wenn, dann nur zum Wat Arun oder um mit Longtails durch die Khlongs zu rasen (siehe hierzu den Artikel „Kanäle zu Fuß erkunden“).
Baan Silapin, das Künstlerhaus
Der Ausgangspunkt der Reise in das unbekannte Thonburi ist das Künstlerhaus oder Artist House, bekannt auch unter dem Namen Baan Silapin; so heißt die Gegend. Das offene Holzhaus direkt am Khlong Luang beherbergt eine Künstlerfamilie. Von den Wänden blicken grimmige Masken. Artefakte belagern alle Ecken.
Jeden Nachmittag spielen junge Menschen in Masken mit Puppen einige Szenen aus dem indischen Ramayana.
Der kleine Chedi im Garten vor dem die Vorstellung jeden Tag um 14 Uhr, außer am Mittwoch, stattfindet, soll bereits 200 Jahre alt sein.
Manchmal bitten die Puppenspieler die Zuschauer zum mitmachen, dann geht das Spiel gemeinsam weiter. Die anderen Besucher beobachten die Szene aus dem angrenzenden Café, wo die Familie auch delikate Snacks serviert. Die ausgestellten Kunstgegenstände können käuflich erworben werden.
In der geruhsamen Atmosphäre am Khlong Luang tanke ich innere Ruhe. Hier gebar die Stadt eine andere Welt, ein Rückzugsgebiet, wo die Langsamkeit die Sinne berauscht.
Von der Hektik der lauten Stadt ist hier nichts zu spüren. Manchmal trinke ich meinen Kaffee vor einer der Holzhütte am Kanal, möchte die anderen „me too“ Künstlerfamilien unterstützen.
Die rasenden Touristenboote verlangsamen hier etwas die Fahrt, und bevor es den neugierigen Insassen gelingt, die nackte rote Männerfigur auf den Bildsensor zu bannen, dreht der Kapitän schon wieder am Gashebel. Die neidischen Bootsfahrer drehen die Köpfe und ich bin froh, dass noch niemand auf die Idee kam, hier einen kurzen Stopp einzulegen.
Entlang der Khlongs ins grüne Nichts
Und dann geht es los, die Gegend zu erkunden. Zunächst entlang des Klongs Luang. Beim nahen Kloster endet der Pfad plötzlich.
Nicht abraten lassen. Das Kloster durchqueren, immer parallel zum Kanal wandern (der sich später Bangkok Yai Khlong nennt).
Enge Seitenkanäle verbinden sich mit dem großen Bruder. Hier tauche ich in eine andere Welt, die jeder für sich selbst entdecken muss.
Irgendwann erscheint im Straßengewirr der seitlich abzweigenden Khlong Bang Waek. Wer es tatsächlich schaffen sollte, sich zu verlaufen, schnell nach Wat Nok googeln. Das Kloster glänzt golden über dem Khlong. Jetzt ist es einfach, ein schmaler Weg schlängelt parallel zum Kanal.
Kleine Häuser, Gärten, neugierige Menschen. Wo ist die Stadt? Hier fahren keine Autos mehr. Nur Motorrad-Taxis bringen die Menschen zu ihren Behausungen.
Das gesamte Gebiet durchziehen kleine Wasserkanäle, die das Gemüse in den Gärten bewässern. Der Pfad, immer enger, will nicht enden. Stichwege verschwinden im grünen Dschungel.
Nur nicht der Beklemmung nachgeben, mutig sein; obwohl ich am liebste alleine durch die Stadt wandere, jetzt wäre ich lieber zu zweit. Schließlich kehre ich um, lasse mich nicht von Google Maps trösten, vertraue nicht auf die große Straße irgendwo vor mir…die Dämmerung naht bereits…
Auf der Höhe des Wat Nok überquere ich den Khlong. Zunächst kreutz den Weg ein enges Straßengewirr durchwoben mit weiteren Tempeln. Irgendwann erscheint eine Hauptstraße. Jetzt ein Taxi heranwinken und zurück.
Nein, diesmal nicht, muss mein vorheriges Versagen kompensieren. Thonburi, die Assoziation mit Wat Arun liegt nahe. Warum nicht versuchen, den Tempel zu erreichen, vielleicht fährt noch das letzte Expressboot.
Google Map kennt die Strecke und die Zeit, 4.5 Km in 54 Minuten. Ich bin schon weitere Wege in Bangkok gewandert, aber ohne den digitalen Helfer wäre so ein Unterfangen kaum möglich.
Zunächst entlang einer breiten Straße, kein besonderes Vergnügen, laufe neugierig in einige Seitenstraßen hinein, die bestimmt noch keinen Farang sahen.
Dann plötzlich, Maps zeigt erbarmen, möchte mich für die Abgase und das Getöse entschädigen, lotst mich durch kleine Sois. Die Nacht wabert bereits durch die engen Straßen, fühle mich dennoch zwischen den staunenden Menschen sicher.
Beobachte die Bewohner beim abendlichen Leben und die Bewohner beobachten mich. Nein, ich verwende nicht den Ausdruck „authentisch“ für ein solches Gebiet. Was für ein missverständliches Wort. Auch die Sukhumvit oder Khaosan sind „authentisch“, sie entwickelten ihre besondere Aura in unterschiedlichen zeitlichen Intervallen.
Jedes dieser Gebiete ist einzigartig und gehört unzertrennlich zu dieser faszinierenden Stadt. Es liegt an jedem Einzelnen, welches Gebiet er mag. Bei mir wechseln die Vorlieben mit Stimmungen, aber immer öfters zieht es mich in diese fernen Gebiete, um mich von der wilden Energie des glitzernden modernen Bangkoks zu erholen.
Und irgendwann, nach mehr als 1.5 Stunden, leuchtet er vor mir majestätisch und erhaben. Google Maps kalkulierte richtig, berechnete nicht meine Neugier unterwegs. Das Expressboot kommt heute nicht mehr.
Macht nichts, alleine im Zwiegespräch mit dem Tempel der Morgenröte, ohne lärmende Touristen… Sein magisches Licht bestrahlt den Fluss der Könige…am wankenden Pier verbinden sich unsere Energiefelder, werden eins. In keiner anderen Stadt auf der Welt erlebte ich bisher ein solches Gefühl…
Anfahrt: mit der BTS (Silom Line) bis zur Station Pho Nimit, von hier aus ein Taxi nehmen: Baan Silapin ode Charan Sanitiwong 3 (scharan sanitiwong saam sagen).
Oder einfach Google Maps zeigen. Wenn das Taxi tatsächlich die Charan Sanitiwong 3 erreichen sollte: am Ende der Straße (Sackgasse) durch einen engen Durchgang gehen, dann über eine Brücke den Khlong überqueren, gleich links auf dem schmalen Holzsteg den Kanal entlang gehen. Das Ausgangs-Ziel ist das Haus, vor dem eine rote nackte Männerfigur ruht und in sich gekehrt das Wasser betrachtet.