Die Khaosan, das Backpacker-Paradies, auch als Farang-Ghetto bekannt. Für einige ist die Khaosan Bangkok und Bangkok die Khaosan, andere schauen vorbei und wenden sich mit Abscheu ab. Der eine vermisst dort die „wahren Backpacker“, der andere moniert „zu Partymeile verkommen“ und „viel zu teuer“. Ein reiner Glaubenskrieg. Nicht zufällig fanden im Mittelalter die meisten Hexenverbrennungen in Gegenden statt, wo mit einem germanischen Zungenschlag parliert wurde. Mythos, Klischee, Realität; eine Bestandsaufnahme.

Die Khaosan, wie alles begann

R&R in BangkokDie erste größere Anzahl von Ausländern, welche Bangkok im vergangenen Jahrhundert beehrten, waren amerikanischen Vietnamsoldaten. Die GIs erholten sich seit den 60ern und 70ern von den Schrecken des Krieges in der Stadt der sanften Engel und in Pattaya. Überlebende Morituri kamen auch später gerne wieder und besiedelten zunächst das Gebiet um das Malaysia Hotel in der Nähe des Lumpini Parkes (Satorn-Gegend), bevor sie sich in die neuen Hotels der Sukhumvit verzogen.

Die Amis wurden Anfang der 80er von einer neuen Gattung von Reisenden abgelöst, welche den Idealen der „Hippie-Bewegung“ folgten: fremde Länder, Kulturen und Lebensweisen kennen lernen wollten. Dabei nutzten diese Traveller mangels geeigneten Reise-Equipments diverse Rucksäcke wie Bergsteiger und naturverbundene Wandervögel. Deshalb die Bezeichnung „Backpacker“, klingt auch besser als „Rucksack-Reisende“.

Traveller in the 60thBei Lichte betrachtet, war das mit den neuen Ländern und Orten schon damals etwas beschränkt: Kabul, Kathmandu, Goa und Thailand. Immerhin entdeckten die ersten Hippie-Backpacker bis dato für Touristen unbekannte Orte wie Ko Samui, Krabi und Phi Phi. Eine Reiseroute in Thailand sah dann meistens so aus: Chiang Mai, Bangkok und Samui, die progressiveren machten dann noch auf den letztgenannten beiden Inseln halt. Es waren oft dieselben Orte, wohin sie reisten, und das Hippie-Feeling lebte sich am besten unter seinesgleichen. Daran hat sich auch bei den Nachfahren nicht viel geändert.

Die ersten Ur-Backpacker in Thailand lösten die US-Boys im Hotel Malaysia ab, einige von ihnen beehrte auch das Atlanta in der Sukhumvit, Soi 2. Die Barmädchen nannten die neue Sorte von Travellern „Cheap Charlies“, denn anders als bei den US-Charlies fiel das Entgelt für ihre Dienste nicht mehr so großzügig aus.

Die Khaosan erwachte erst ab Beginn der 80er aus ihrem Dornröschenschlaf als dort das erste kommerzielle Guesthouse, Bonny, mit sechs kleinen Räumen entstand. Halt! Der Ausdruck mit der schlafenden Prinzessin ist nicht ganz korrekt. Die Geburtsstunde der Khaosan war das Jahr 1892 und es ging dort alles andere als ruhig zu. In dieser kleinen Alley, die erst viel später zur Road geadelt wurde, entstand der größte Reismarkt in Bangkok. Der Name „Khao San“ bedeutet gemahlener Reis.

alte KhaosanUnd dann kam das Jahr 1982, der 200ste Geburtstag von Krung Thep. Filmteams fluteten die Stadt der Engel. Die wenigen Hotels in der weit abgelegenen Sukhumvit waren schnell ausgebucht, außerdem wollten die Herrschaften in der Nähe des historischen Zentrums nächtigen, wo die Feierlichkeiten stattfanden. Flux mieteten sie bei den Bewohnern der Khaosan einige Zimmer.

Was dann folgte, war eine natürliche Entwicklung: immer mehr Guesthouses eröffneten, immer mehr Gäste kamen. Dazu gesellten sich Reisebüros, Händler, Schneider, Restaurants, offene Bars und, und, und… und noch mehr Backpacker drängten in die Khaosan. Die einfachen Unterkünfte rüsteten auf, Dachpools, klimatisierte Zimmer…

„The Beach“ gab 1990 einen zusätzlichen Impuls. Der Lauf der Zeit. Die früheren Traveller kamen in die Jahre, aber viele blieben dem berühmten Farang-Ghetto treu. Die 410 Meter kurze Straße platzte aus allen Nähten, ergoss ihr einzigartiges Amüsierkonzept in die umliegende Gegend: Unzählige preiswerte Restaurants mit Farang-Food und natürlich auch gutes lokales Essen allenthalben, Cafés, Musikbars, Techno, vegane Speisen an jeder Ecke, Massagesalons mit Damen, denen jeder die langjährige Berufserfahrung bereits auf den ersten Blick ansieht, Straßenbars mit Außensitzen, spärlich bekleidete Touristinnen, männliche Hippie-Imitate, ergraute Reisewölfe samt Gattinnen mit Kurzhaarfrisur, manche gar im Uschi-Obermeier-Look.

Die heutige Khaosan-Gegend

Die Khaosan verlor zunehmend ihr Alleinstellungsmerkmal, die Traveller verbringen ihre Tage und Abende nicht mehr ausschließlich in dieser Straße, wandern von einem Ort zum anderen, von einem Restaurant und Bar zur nächsten. Sagen wir es simpel, der „gemahlene Reis“ ist nur noch ein Synonym für eine ganze Gegend. Wie sieht diese Gegend heute aus?

Die Khaosan Road

Khaosan RoadErweisen wir der alten Dame die Ehre und fangen mit ihr an. Und wir können es kurz machen. Den geblümten Hippie-Rock legte sie nicht ab, färbte sich die Haare rot, aus den Sennheisern auf den Ohren hämmert Techno. Gehwege und die Straßen verstopfen Händler; Sreetfood und Elefantenhosen allerorten. Schwitzende Menschenmassen drängeln durch die laute Nacht, genießen das Leben in vollen Zügen.

Khaosan bei NachtJa, sie drängeln wieder. Einige Beamte der Stadtverwaltung lernten von ihren Kollegen aus Germany die Begriffe „Sondernutzung“ und „Allgemeingebrauch“. Und das brachte sie auf die fatale Idee, die Gehwege wieder den Fußgängern zu widmen. Die Händler sollten ihre Stände ab 18 Uhr direkt auf der Straße aufbauen, eine verkehrsfreie Walkingstreet schwebte ihnen vor. Boykott, Boykott. Die Kauffrauen mit ihren männlichen Pendants schäumten im Einklang mit der mitfühlenden ausländischen Presse: „Die Militärs räumen die Khaosan“, „Straßenhändler aus der Khaosan vertrieben“, lauteten die martialischen Schlagzeilen.

Besorgte Foristen sahen bereits Singapur am Horizont aufblitzen, für viele die langweiligste Stadt in Asien. Aufgeschreckt von der weltweiten Sorge um das Wohlergehen der Backpacker und Straßenhändler gestatten die verwirrten Beamten den Händlern nunmehr ab 16 Uhr die Gehwege zu belegen.Der mittlere buddhistischen Pfad obsiegte, die heile Unordnung ist wieder back. Aber so schnell geben die Bürokraten nicht auf, die „Ordnungs-Fantasien“ der Stadtverwaltung leben weiter.

Soi Rambuttri

Soi RambuttriSeien wir genau, es gibt zwei Teile dieser Straße, getrennt durch die Chakrabongse Rd. Die linke Seite beim Wat beherrschen zahlreiche höherwertige Hotels, Hostels, offene Restaurants, Händler „ohne Ende“ und mit all dem, was bei modernen Travellern das Herz höher schlagen lässt.

Soi RambuttriAbends einige mobile Straßenbars, im weiterem Straßenteil eine preiswerte Straßenküche. Geruhsames Straßentheater, die Geräuschkulisse auf piano getrimmt, auch ältere Jahrgänge fühlen sich hier wohl. Die Soi un-angerempelt begehbar.

Die andere Soi Rambuttri, parallel zur Khaosan. Durchmischt mit multi-funktionalen Häusern, Restaurants, dazwischen das große Ibis Hotel, Massage Shops, Restaurants, zahlreiche Händler. Tagsüber etwas fade. Am Abend hell erleuchtet und lebendig, Musikclubs mit Gesichtskontrolle, quirliges Straßenleben. Menschen aus allen Nationen flanieren entspannt.

Samsen-Gegend

Benennen wir diese Gegend so nach der nahen Samsen Rd.: zur besseren Orientierung, es ist die Gegend um den dominanten Chillax Resort. Die Brücke über den Saen Saep Kanal (Samsen Road) überqueren und dann nach rechts abbiegen, erstreckt sich entlang des Kanals. Eine stadt-ländliche Gegend, kleine Hostels, preiswerte Restaurants, Straßenküchen, Cafés. Natürlich gewachsen, manche mögen hier die Khaosan-Atmosphäre vor 30 Jahren wiedererkennen. Im Vergleich zur dieser Gegend wirkt die Soi Rambuttri beim Wat eher „künstlich“.

Entlang des Saen Saep KanalsAn der Brücke über den Saen Saep Kanal beginnt einer der schönsten Spaziergänge entlang der Khlongs bis zum Golden Mount. Unterwegs Cafés, kleine Märkte, ein Hotel, weitere entstehen auf der anderen Seite des Kanals. Aber es geht noch weiter, bis zum Bobae Market. Dieser und weitere Sparziergänge entlang von Khlongs in dem Artikel „Bangkoks Kanäle zu Fuß erkunden“.

Straßenleben um die Khaosan und die Soi Rambuttri

In den angrenzenden Straßen insbesondere der Chakrabongse Rd., Phra Athit Rd, Thanon Taneo setzt sich die ortsübliche touristische Infrastruktur mit Restaurants, Straßensnacks, Clubs, Hotels und Händlern fort. Zahlreiche Geschäfte und einige gute Restaurants in den Shop-Hauses in der Phra Athit Rd um das weiße Fort Phra Sumen. Beim Democracy Monument verstecken sich neue Hostels und Restaurants. Siehe hierzu auch den Artikel „Die 5 besten Restaurants in der Khaosan Gegend“.

Banglamphu einer der ältesten Stadtteile Bangkoks

Die Gegend um die Khaosan, Banglampoo, ist einer der ältesten Stadtteile in Bangkok. Die Wurzeln reichen bis in die Rattanakosin-Periode, also kurz nachdem der Große Palast entstand. Hier wohnten die Bediensteten des Königshofes. Später siedelten dort auch Chinesen, Mon und Muslime. Dieser historische Hauch ist immer noch zu spüren, so lärmen in einigen Gassen traditionelle Musikschulen. Die „intaktesten“ Strassen liegen jenseits des Kanals, links und rechts der Samsen Rd. In der ganzen Gegend gibt es noch viel vom Charm des „authentischen“ Bangkoks zu entdecken.

Fazit, Fazit, Fazit

Eine touristische Gegend mit spezifischen Unterschieden und einem Wohlfühlfaktor für den einen oder anderen. Aussagen wie „die Khaosan ist…“, gehen an den Realien vorbei, zu unterschiedlich sind die einzelnen Ecken. Manche mögen dort den früheren Flair vermissen, das „Gemeinschaftsgefühl“, den gegenseitigen Austausch von Tipps, die „schrägen Typen“…die Zeiten ändern sich, Orte entwickeln sich weiter, Internet und FB-Gruppen veränderten den Informationsaustausch und die Kommunikation, insbesondere bei den Jüngeren. Zur jeder Zeit gab es ein Früheres, das manche besser fanden.

Und heute? Es gibt da den jungen Herren mit Rastalocken und Elefantenhose, das neueste Trage-Equipment am Rücken, der die Schwarm-Intelligenz der FB-Gruppen belästigt, um von Ko Tao nach Krabi zu gelangen. Andere fragen nach der Anzahl der mitzunehmenden Unterhosen oder suchen in den Gruppen verzweifelt nach Bier-Buddies für die Khaosan.

Dann gibt es die grauhaarige Dame mit dem Trolley und dem Reiseführer im Gepäck, die allein Südostasien bereist. Jüngere und ältere Reisende mit mehr oder weniger Budget unterwegs schlürfen hier ihr Singha. Familien mit Kindern. All diese Menschen flanieren durch die Khaosan-Gegend.

Und wofür Besonderes steht die Khaosan-Gegend heute? Das sollte jeder für sich selbst herausfinden. Hier ein Zitat von Alex Garland, dem Autor des Romans The Beach: „There is no other place that people of various nationalities gather like here…”

Hier eine Karte zur Orientierung (anklicken)

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